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Aktuelles

Abschluss der Erörterung zum Polder Breisach/Burkheim

Abschluss der Erörterung zum Polder Breisach/Burkheim

Ängste, Wünsche und ein offenes Ende

Bericht Der Sonntag, Breisach vom 25. März 2018

Foto: Julius Wilhelm Steckmeister

Am fünften Tag der Erörterung war die Lazarus-von-Schwendi-Halle erstmals nahezu voll besetzt. Viele Bürger und Vereinsvertreter wollten die Gelegenheit nutzen, die von ihnen bereits schriftlich eingebrachten Einwendungen nochmals mündlich auszuformulieren oder aber direkte Fragen zum Bauvorhaben an die Vertreter des Regierungspräsidiums zu stellen. 


Naherholung und Tourismus
Nochmals wurde eindrücklich deutlich, in welchem Maße der Polderbau einen Eingriff für die Raumschaft und ihre Bewohner darstellt. Der erste Themenblock widmete sich gleich konkret den Einschränkungen, die der Polder und die dort vorgesehenen ökologischen Flutungen für die Bevölkerung mit sich brächten. Zunächst zeigte Harald Klumpp, Leiter des Referats Integriertes Rheinprogramm (IRP) am Regierungspräsidium (RP), anhand einer Präsentation, wann im Jahresmittel welche Einschränkungen für die Nutzer des Rheinwaldes bestünden. Von den im Schnitt 57 Tagen jährlicher Flutung würde an 37 Tagen "das Wasser überwiegend im Gewässer" fließen. An lediglich 20 Tagen ginge die Flutung in die Fläche, wovon an maximal zwei Tagen alle Wege gesperrt werden müssen, damit die im Polder lebende Wildkatze in Ruhe fliehen könne. Nicht nur Jechtingens Ortsvorsteher Reinhard Morgenstern, sondern auch private Zimmervermieter sowie Anja Lainer vom Burkheimer Touristik Verein befürchteten, dass die Gästezahlen aufgrund der – zeitlich ungewissen – Nichtnutzbarkeit des Naherholungsraumes sowie der Belastungen während der rund sechsjährigen Bauzeit deutlich zurückgehen werden. Etliche Anwesende äußerten zudem die Befürchtung, bei einer Flutung im Polderraum festzusitzen. In der Regel würde die vollständige Befüllung des Rückhaltebeckens einen Tag dauern, so dass genügend Zeit bleibe auf den markierten Fluchtwegen aus dem Polder zu gelangen, beruhigte Joachim Misselwitz vom RP.

Gesundheit und Landwirtschaft
Einen Vortrag zur Schnake und ihrer Bekämpfung hatte Andreas Arnold von der Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage (KABS) mitgebracht. Die KABS ist schon heute für viele Kommunen entlang des südlichen Oberrheins in Sachen Schnakenbekämpfung aktiv. Bis zu 90 Prozent der Plagegeister könnten mit dem vom Hubschrauber ausgebrachten Bakterium BTI vernichtet werden. Ziel sei nicht die Ausrottung der Stechmücken, sondern zu verhindern, dass diese in Siedlungsflächen ausschwärme, erläuterte Arnold.


Joachim Misselwitz versicherte zudem, dass es weder während des Polderbaus noch bei dessen Betrieb vermehrt zur Bildung stehender Gewässer – also von Schnakenbrutstätten – käme. Dem widersprach Lothar Neumann von der Bürgerinitiative für eine verträgliche Retention anhand des bereits fast fertiggestellten Polders Breisach-Kulturwehr. Das Monitoring habe keinen Anstieg der Schnakenpopulation ergeben, widersprach Misselwitz, was vom Saal mit Gelächter quittiert wurde.

Ob auch das Brutverhalten der Feuchtigkeit liebenden Kirschessigfliege untersucht worden sei, wollte Oberrotweils Ortsvorsteher Arno Landerer wissen. Dies sei nicht Bestandteil seines Untersuchungsauftrages gewesen, erwiderte der Schnakenexperte. "Es geht um unmittelbare Auswirkungen des Projekts, und das hat auf der Landseite keine", betonte Harald Klumpp.

Dies fand nicht nur Weinbauverbandspräsident Peter Wohlfahrt "befremdlich". Diese Frage müsse man abarbeiten, forderte Vogtsburgs Bürgermeister Benjamin Bohn.

Gebäudeschäden und Vereine
Der Bau und Betrieb der Grundwasserregulierungsbrunnen – 18 dieser Bauwerke sollen im Umkreis des Polders errichtet werden – sowie ein möglicher Grundwasseranstieg im Falle der ökologischen Flutungen bereitet vielen Immobilienbesitzern Kopfzerbrechen. Kein Brunnen würde näher als fünf Meter an ein Gebäude gebaut, somit seien betriebsbedingte Setzungsschäden auszuschließen, versicherte Joachim Misselwitz. Zudem würde bei einem Abstand von 15 Metern und weniger an den Gebäuden ein Beweissicherungsverfahren durchgeführt, versprach Harald Klumpp. Die "Sorge vor nassen Kellern" sei unbegründet, ergänzte er.

Erwartungsgemäß ging es beim letzten Themenkomplex Vereine zumindest teilweise emotional zu. Während es "in vielen konstruktiven Gesprächen Stück für Stück gelungen sei", für den vom Bau des Rückhaltebeckens am ärgsten betroffenen SV Burkheim die "Probleme gemeinsam zu lösen" (Bürgermeister Benjamin Bohn) – die Sportanlagen werden auf Kosten des Vorhabenträgers andernorts komplett neu errichtet, drückte bei Anglern und Fischern ein wenig, bei Bootssportlern und dem Waldorf Naturkindergarten erheblich der Schuh. Besonders durch die Bauphase sah Stefanie Salwei vom Waldorfnaturkindergarten, der direkt an einer der künftigen Baustraßen liegt, diesen in seiner Existenz bedroht. "Sie haben den Platz in Kenntnis des Bauvorhabens ausgewählt", gab Joachim Misselwitz zu bedenken, Einschränkungen seien bereits beim Bauantrag aufgelistet worden. Entsetzt waren Vertreter der Vereinigten Motorbootvereine-Burkheim. Ihre derzeit 70 Autostellplätze, die komplett im Polderraum liegen, sollen durch lediglich 20 in Hafennähe ersetzt werden. "Das ist eine massive Einschränkung unseres Vereinslebens – 1,8 Kilometer laufen, das schaffen viele unserer älteren Mitglieder nicht. Dann stirbt der Verein", so dessen Vorsitzender Oliver Lainer. "Da kann ich Ihnen keine weiteren Lösungen anbieten", bedauert Joachim Misselwitz. "Wir würden uns gerne mit Ihnen an einen Tisch setzen", bot indes Harald Klumpp den Bootssportlern an.

Sechs Monate bis zur Entscheidung
Bis zur Entscheidung über das Planfeststellungsverfahren werden mindestens sechs Monate vergehen. Mit dem Beginn der Bauarbeiten am Rückhalteraum ist in frühestens anderthalb Jahren zu rechnen. "Sie sind von uns gehört worden, das kann ich versichern und das wird in den Planfeststellungsbeschluss einfließen", versprach Katharina Adam vom Landratsamt am Ende der Erörterungswoche.

Den komplette ungekürzten Bericht können Sie hier einsehen.